
Cup: Sieben fatale Minuten kosten den Cupsieg
Der HC Rychenberg hat eine günstige Gelegenheit zum ersten Cupsieg seit gut 20 Jahren verpasst. Trotz einer zwischenzeitlichen 6:1-Führung verlor er im innerzürcher Final gegen die Grasshoppers mit 7:8.
Es war ein in der Schlussphase ungemein spannender und insgesamt wohl einer der ungewöhnlichsten Cupfinals der Schweizer Unihockey-Geschichte, den der HC Rychenberg und der Grasshopper-Club Zürich den 3200 Zuschauern in der Berner Wankdorfhalle boten. Bis zur Spielhälfte schien fast alles für einen Sieg des HCR zu sprechen. Das Team von Rolf Kern hatte bis dahin Spiel und Gegner grösstenteils erstaunlich sicher kontrolliert und lag mit 6:1 in Front.
GC wurde in der Folge offensiv zwingender und nutzte eine Phase, in welcher der HCR seine Orientierung vorübergehend verlor, zu vier Toren innert sieben Minuten, womit die Partie neu lanciert war. Die Winterthurer fingen sich im Schlussdrittel wieder und mit etwas mehr Präzision und Fortüne im Abschluss hätten sie den Pokal an sich bringen können. Der National- und ehemalige Rychenberger Torhüter Pascal Meier sorgte jedoch mit einigen Glanzparaden in der Schlussphase dafür, dass GC sein 8:7 – mit sehr viel Mühe und etwas Glück – über die Zeit retten konnte.
Ein erster optimaler Start
Besser als der HCR kann man fast nicht in eine Partie starten. Als Quintessenz eines offensiv ausgeführten Startbullys besorgte Felix Buff nach bloss zwei gespielten Sekunden das Führungstor. Und die Winterthurer legten gleich nach. Cédric Rüegsegger genoss in der 3. Minute im Slot so viele Freiheiten, dass er Kari Koskelainens genaues Zuspiel bloss noch einzuschieben brauchte, und weitere drei Minuten später prallte ein Schuss Nils Conrads von der Brust des ausweichenden Mikko Hautaniemi unhaltbar zum 3:0 ins Tor.
Dieser Vorsprung war verdient. Der HCR trat in den ersten Minuten sehr kontrolliert auf, agierte ruhig aus seiner Defensive heraus und hielt die für ihr gefährliches Offensivspiel bekannten Hoppers weit von seinem Tor entfernt. Es dauerte neun Minuten, bis die Stadtzürcher ein erstes offensives Lebenszeichen von sich gaben. Es war kein Zufall, dass der 35-jährige frühere Rychenberger Michael Zürcher mit einem Solo dafür besorgt war, denn er und Nationalverteidiger Luca Graf waren in dieser Phase die einzigen, die ihrem Team mit Nachdruck auf die Sprünge zu helfen versuchten. Dies gelang ihnen auch, denn von da an glich sich das Geschehen aus und die Anzahl Torchancen hielt sich die Waage.
Ein zweiter optimaler Start
Auch ins Mitteldrittel erwischte der HCR den erheblich besser Start. Diesmal dauerte es 23 Sekunden, bis Buff mit seinem dritten Treffer auf 5:1 erhöhte. Und Hautaniemi sorgte in der 25. Minute mit einem erfolgreich abgeschlossenen Konter für die vermeintliche Vorentscheidung. Doch es war noch lange zu spielen und es sollte denn auch anders kommen.
Nachdem der HCR wenig später ein Überzahlspiel nicht zum 7:1 hatte verwerten können, fanden die Hoppers wieder besser ins Spiel. Sie begannen wesentlich mehr zu riskieren und ihre Rechnung ging auf. Die Winterthurer verloren die Contenance und die defensive Stabilität, sodass GC innert sieben Minuten auf 5:6 zu verkürzen vermochte. «GC hatte nichts mehr zu verlieren», erklärte Kern die Wende. «Es setzte alles auf die Karte Offensive und die Rechnung ging auf. Mit zwei Strafen, die eine mehr als unnötig, und schwachen Boxplays trugen wir unseren Teil bei.» GC war wieder dran, hatte nun das Momentum auf seiner Seite und glaubte wieder an seine Siegchancen.
Indem er fürs Schlussdrittel auch auf zwei Linien reduzierte, gelang es Kern, seine Mannschaft wieder zu stabilisieren und damit das Geschehen wieder weitgehend unter Kontrolle zu bringen. Der HCR besass im Schlussdrittel gar wieder ein leichtes Chancenplus, ohne daraus Nutzen ziehen zu können. Was in den ersten dreissig Minuten zuweilen allzu einfach gelungen war, wollte nun nicht mehr gelingen. Beste Chancen blieben ungenutzt. Zum einen fehlte nun die Lockerheit und Präzision im Abschluss, zum anderen lief Meier zur Hochform auf. Fredrik Holtz (46.), Hautaniemi (46.) und Buff (49.) scheiterten allesamt am Nationalkeeper.
Eine hektische Schlussphase
Kurz zuvor hatte Zürcher eine Unachtsamkeit zum 6:6 genutzt und als Emil Julkunen sein Team mit einer schönen Einzelleistung in der 52. Minute erstmals in Führung gebracht hatte, schien das Momentum endgültig gekippt. Doch der HCR blieb dran und drängte GC in einer Art Powerplay in die Verteidigung zurück. Meier bewahrte die mehr als bedrohlich ins Wanken geratene Festung GC mit seinen wiederholten Paraden fast im Alleingang vor Gegentoren. Weil Buff, Rüegsegger, Benjamin Borth und Moritz Schaub zwischen der 53. und 56. Minute ihre aufgelegten Möglichkeiten nicht zum Ausgleich nutzen konnten, beorderte Kern seinen Torhüter Ruven Gruber bereits dreieinhalb Minuten vor Schluss auf die Bank.
Die Chancen blieben zahlreich, doch als Rasmus Sundstedt in der 59. Minute endlich traf, war es bloss der Anschlusstreffer. Der HCR drängte in den verbleibenden fast zwei Minuten weiter mit Wucht auf den Ausgleich, doch mangelte es den wütenden Abschlüssen an jener Genauigkeit, die nötig gewesen wäre, um das zum Panikorchester mutierte GC-Ensemble zu bezwingen.
GC vermied also mit grossem Ach und Krach die Verlängerung und sicherte sich dank einer klaren Steigerung ab Spielmitte seinen nach 2011 und 2014 dritten Cupsieg. Der HCR seinerseits muss sich darüber ärgern, dass er seinen optimalen Start und die erstklassige Ausgangslage nicht zum fünften Erfolg zu nutzen verstanden hatte. Die Winterthurer müssen sich dafür an der eigenen Nase nehmen. Sie gaben nicht nur den klaren Vorsprung zu einfach her, sondern verstanden es auch nicht, des Gegners Ansturm im Mitteldrittel mit ein, zwei Kontertoren zu brechen. Die in der Regel überzeugenden Schiedsrichterinnen dürfen nicht als Ursache herhalten, auch wenn sie diesmal vor allem die wiederholt übers gesunde Mass hinausschiessenden, einmal gar mit Verletzungsabsichten behafteten Taklings gegen Holtz ungeahndet liessen.
Stimmen zum Spiel:
Lukas Grunder (Captain HCR): «Alles in allem haben wir in den ersten dreissig Minuten gesehen, welch grosse Qualitäten wir besitzen und wie dominant wir auftreten können. Das nehmen wir an Positivem für die Playoffs mit. Warum wir das Spiel aber nach dem 6:1 noch aus den Händen gaben, weiss ich noch nicht. Wir waren energischer gestartet und liessen danach nach. Das war kein bewusster Prozess. Sicher ist, dass GC ab Spielhälfte mehr riskierte und diese Taktik verheerenderweise aufging.»
Jonas Grunder (Assistenztrainer HCR): «Bis zum 6:1 traten wir aggressiv auf. Doch wir liessen danach darin etwas nach und wurden zudem ohne Not nervös, als GC auf 6:3 aufholte. Statt dessen hätten wir nach der Maxime 'bis hierhin und nicht weiter' auftreten müssen. Dass uns dies nicht gelang, hatte womöglich mit unserer Unerfahrenheit in solchen K.o.-Spielen zu tun. Wir werden daraus lernen.»
Pascal Meier (Goalie GC): «Ich hatte nie das Gefühl, dass wir dieses Spiel verlieren würden. Wir besitzen so viel Selbstvertrauen und so viele gute Spieler. Darum: Wenn jemand ein solches Spiel noch kehren kann, dann ist das GC.»
David Jansson (Nationaltrainer): «Es war ein stets unterhaltsames, aber kein hochklassiges Spiel. Es war auch ein Spiel der Körpersprache. Diese war bei GC besser, als es 1:6 zurücklag, als beim HCR, als der Gegner auf 6:3 herangekommen war.»
Telegramm
HC Rychenberg Winterthur – Grasshopper-Club Zürich 8:7 (4:1, 2:4, 1:3)
Wankdorfhalle, Bern Schiedsrichter: Wehinger/Zurbuchen 3200 Zuschauer (ausverkauft)
Rychenberg: Gruber; Wöcke, Sundstedt; Niiranen, Podhráský; Conrad, Gutknecht; Buff, Borth, Holtz; Koskelainen, Rüegsegger, Schwerzmann; Hautaniemi, Grunder, Moritz Schaub.
GC: Pascal Meier; Kaiser, Ladner; Müller, Graf; Berlinger, Bier; Rüegger, Christoph Meier, Cavelti; Julkunen, Zürcher, Juhola; Steiger, Göldi, Zolliker; Pedolin.
Tore: 1. (0:02) Buff (Holtz) 0:1. 3. Rüegsegger (Koskelainen) 0:2. 6. Conrad (Moritz Schaub) 0:3. 14. (13:28) Buff (Sundstedt; Ausschluss Christoph Meier) 0:4. 15. (14:18) Christoph Meier 1:4. 21. Buff (Borth) 1:5. 25. Hautaniemi (Moritz Schaub) 1:6. 33. Graf (Zürcher) 2:6. 34. (33:43) Juhola (Ausschluss Gutknecht) 3:6. 35. (34:35) Cavelti (Rüegger) 4:6. 39. Julkunen (Graf; Ausschluss Sundstedt) 5:6. 45. Zürcher (Julkunen) 6:6. 52. Julkunen (Graf) 7:6. 58. (57:20) Rüegger (ins leere Tor) 8:6. 59. (58:18) Sundstedt (Koskelainen; Rychenberg ohne Torhüter) 8:7.
Strafen: 2x2 Minuten gegen Rychenberg (33. Gutknecht, 38. Sundstedt), 2x2 Minuten gegen GC (12./26. Christoph Meier).
Bemerkungen: Rychenberg ohne Keller (verletzt), Huser, Kapp, Kern, Klauenbösch, Luis Schaub, Studer (alle Ersatz), und Haag (Thurgau, NLB). GC ohne Kekkonen und Vizzini. Rychenberg mit drei, ab der 41. Minute mit zwei Linien. GC mit drei, ab der 23. Minute mehrheitlich mit zwei Linien. 19. Pfostenschuss Zürcher. 56:35 Time-out Rychenberg. Rychenberg danach in Ballbesitz mit einem zusätzlichen Feldspieler anstelle des Torhüters. Buff und Julkunen als beste Spieler ihrer Mannschaft ausgezeichnet.